Fahr zur Hölle, Jesus! Zwischen karfreitäglichen Totentanz, der für viele selbsternannte Gottlose ein Heidenspaß ist, und dem Osterlachen derer, die in der Osternacht die Auferstehung des Gekreuzigten feiern, liegt der Karsamstag. Die Ohnmacht des Karfreitags ist noch spürbar, als man, wahrscheinlich im Jahr 30 unserer Zeitrechnung, den galiläischen Rabbi Jesus von Nazareth durch die engen Gassen Jerusalems führte – er, bereits von den Folterungen gezeichnet den Querbalken des Kreuzes, das Patibulum, auf den Schultern tragend und angetrieben von Soldaten, während am Gassenrand hinter den Gaffern das lärmende Leben einfach weiterging mit Lachen, Weinen, Tanzen, Klagen – Alltag halt. Viel hat sich seitdem nicht geändert, wenn die, denen der Kreuzestod Jesu nichts bedeutet, auch heute lieber tanzen wollen – ein richtiger Heidenspaß halt: Zur Hölle mit diesem Jesus!
Dass Gott die Heiden je ernst nehmen könnte, damit haben die Frommen schon zur Zeit Jesu nicht gerechnet. Ein Heide ist von jeher ein Goj, ein Nichtjude. Die Heiden, von denen die Bibel spricht, sind die nichtjüdischen Völker. Gott hatte sich das eine Volk Israel erwählt, ihm seinen Namen offenbart und mit ihm den Bund geschlossen. Sicher gilt die Verheißung: Wenn der Messias, der Gesandte Gottes kommt, dann werden auch die Völker zum Zion kommen.
Die Jüngerinnen und Jünger, die mit Jesus durch Galiläa und später durch Judäa nach Jerusalem zogen, haben wohl große Hoffnungen in Jesus gesetzt. Oft genug berichten die Evangelien aber auch davon, dass sie ihn nicht verstanden, ihn und seine Botschaft vom Reich Gottes, das eben nicht von dieser Welt ist. In Jerusalem kommt es schließlich zur Katastrophe: Ihr Meister, ihr Rabbi stirbt am Kreuz einen Tod, den man damals als Tod der Gottverlassenen verstand. Wer am Kreuz starb, der fuhr zur Hölle, verlassen von Menschen und Gott.
Es war Freitag. Er starb zur neunten Stunde, gegen 15 Uhr. Mit dem Sonnenuntergang, gegen 18 Uhr, beginnt der Sabbat – ein Tag der Ruhe, der Muße, der Gottebenbildlichkeit. Die wenigen Getreuen Jesu mussten schnell handeln, wenn sie ihn bestatten wollten. Keine Zeit für fromme Werke. Am Sonntagmorgen wird man in aller Frühe tun, was jetzt ungetan bleibt.
Am Sonntagmorgen wird alles anders sein. Der Leichnam ist verschwunden. Der Schrecken setzt sich fort in Begegnungen eigener Art, die keinen Zweifel lassen: Der Gekreuzigte lebt; der Gottverlassene wurde von Gott gerettet. Zur Hölle, was ist da los?
Die Jüngerinnen und Jünger verstehen langsam, dass Jesus mehr war als ein Rabbi. In ihm war Gott da, nein, in ihm ist Gott da. Er stirbt wie ein Gottverlassener und wird doch von Gott gerettet, damit die Menschen, selbst wenn sie sich gottverlassen wähnen, erkennen, dass alle zu Gott kommen werden. Alle? Alle! Jetzt ist die Zeit, in der zu den immer schon erwählten Kindern des Volkes Israel auch die aus den Heiden kommen. Heidenchristen wird man sie nennen. Die Kirche von heute ist eine Kirche aus Heiden – und die haben an Ostern wirklich einen Heidenspaß!
Gott rettet alle – und weil das sein Wille ist, muss Jesus eben zur Hölle fahren. Das ist der Karsamstag – der Tag der Höllenfahrt Christi. Der Sohn Gottes begibt sich in die tiefsten Tiefen der Unterwelt um die dort vegetierenden Seelen zu befreien – das ist der Gedanke der Mystik des Karsamstags. Wo aber Gottes Sohn ist, kann keine Hölle sein. Die Hölle hört auf, Hölle zu sein. Was für ein Quantum Trost für die Menschen. Sein Name ist Christus! Jesus Christus!
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der WZ Wuppertal vom 31. März 2018
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Und zur Hölle, da sind nur Frauen unter dem Kreuz und am Ostermorgen am Grab. Was hat Gott sich dabei nur gedacht? 🙂